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Projektreise Pakistan

Seit 2013 sind wir in Pakistan aktiv. 2016 konnten wir unsere Hilfe für Kinder mit Spaltfehlbildung in Pakistan durch die Kooperation mit Prof. Muhammad Ashraf Ganatra und der Al-Mustafa Welfare Society signifikant ausbauen. 2022 führte das Team von Prof. Ganatra fast 1.400 Spaltoperationen durch. Im Rahmen einer Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) starteten wir Ende 2020 ein Projekt zum Aufbau eines interdiziplinären Spaltzentrums in Karatschi. Die soziale Integration der von uns in Pakistan behandelten Kinder mit Spaltfehlbildung ist das übergeordnete Ziel des auf drei Jahre angelegten BMZ-Förderprojekts. Zur Evaluation des aktuellen Status reiste ein Team der Deutschen Cleft Kinderhilfe nun nach Pakistan: Vom 27. Februar bis 5. März 2023 waren Dr. Ulrike Lamlé, Sylvia Lüdtke-Haas und Andrea Weiberg vor Ort.

Allgemeine Informationen

Pakistan unterteilt sich in fünf Provinzen: Sindh, K.P.K, Belutschistan, Punjab und Gilgidbaldisten. Mit 235 Millionen Einwohnern gehört Pakistan zu den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt. Derzeit wächst die pakistanische Bevölkerung um jährlich circa zwei Prozent, das Durchschnittsalter beträgt 22 Jahre. Familienplanung ist ein Tabuthema und Traditionen wie die der innerfamiliären Heirat prägen die Gesellschaft. Nirgendwo auf der Welt ist die Heirat unter Verwandten so fest verwurzelt wie in Pakistan. 56 Prozent der Eheschließungen finden innerhalb der Familie statt. Auf dem Land ist die Zahl nach höher: vier von fünf Ehen werden zwischen Cousin und Cousine geschlossen (Quelle: Martina Merten, Global Health Specialist). Die Folgen sind fatal: die Zahl der Kinder mit genetischen Defekten, wie zum Beispiel einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, ist signifikant erhöht. Die Aufklärung darüber ist Teil unserer Arbeit. Doch derart gewachsene Traditionen aufzubrechen, ist ein langer Weg. Und eine Gratwanderung dazu, will man nicht das Vertrauen der Menschen verlieren.

Auch in einer weiteren Statistik nimmt Pakistan einen führenden Rang ein: Pakistan hat die zweithöchste out-of-school-rate weltweit. Nach wie vor brechen viele Kinder die Schule vorzeitig ab oder erhalten gar keine Schulbildung. Die Analphabetenquote liegt bei 42 Prozent, bei Frauen sogar bei 53,5 Prozent (Quellen: BMZ, unicef).

Die aktuelle Lebenssituation in Pakistan ist aufgrund der hohen Inflation schwierig (Stand Februar 2023: knapp 40 Prozent). Viele Familien unserer Patientinnen und Patienten ziehen aufs Land, weil sie sich das Leben in Karatschi nicht mehr leisten können. Doch durch die hohen Benzinkosten ist auch der Transport in die Stadt kaum zu bezahlen. Ein weitreichendes Problem: Es wird immer schwieriger, die Eltern zu motiveren, ihre Kinder nach der OP zu nötigen Folgeterminen zu bringen. Oder eine Operation kann nicht wie geplant durchgeführt werden, weil man vor Ort feststellt, dass das Kind krank ist und die Eltern die Kosten für eine zweite Anreise nicht aufbringen können.

Ankunft in Karatschi

Karatschi ist die Hauptstadt der Provinz Sindh und mit circa 17 Millionen Einwohner die größte Stadt Pakistans. Seit 2013 haben wir hier unseren festen Projektstandort im Al Mustafa Medical Centre. Mit dem Start des BMZ-Projekts bauten wir unsere Hilfe für Kinder mit Spaltfehlbildung aus. Unter dem Dach von „Cleft Pakistan“ bietet Prof. Ganatra und sein Team alle für die Behandlung von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten relevanten Fachdisziplinen an: Chirurgie, Kinderheilkunde, Sprachtherapie, psychosoziale Betreuung, HNO, Zahnmedizin und Kieferorthopädie. Bei einer Führung durch das Krankenhaus besuchen wir jede Abteilung, sprechen mit den Therapeutinnen, Ärztinnen und Ärzten. Eine Sozialarbeiterin und zwei weitere Mitarbeiterinnen sind ebenfalls Teil des Teams. Sie halten den Kontakt zu den Patienten.

Einweihung unseres Spaltzentrums

Unter Beisein des Generalkonsuls, Rüdiger Lotz, wird unser neues Spaltzentrum an Tag 2 unserer Reise feierlich eingeweiht. In einer Präsentation stellt Prof. Ganatra unser Hilfsprojekt und die erfolgreiche Entwicklung in den letzten fünf Jahren vor. Bei dem anschließenden Rundgang durch das Krankenhaus geben die verschiedenen Fachabteilungen spannende Einblicke in ihre Arbeit. Für alle Beteiligten ein wertvoller Austausch. Prof. Ganatra und sein Team freuen sich über das Interesse des Generalkonsuls, der sich beeindruckt von dem Geleisteten zeigt.

Von Anfang an war es Prof. Ganatras Vision, seinen Patientinnen und Patienten umfassende Hilfe über die Operation hinaus zu bieten. Dank seines beharrlichen Einsatzes, der Förderung des BMZ und der Unterstützung der Al-Mustafa Welfare Society ist das heute möglich. Wir sind stolz auf dieses beispielhafte Projekt und werden alles daran setzen, den betroffenen Kindern und ihren Familien auch in Zukunft diese weitreichende und so wichtige Betreuung zu ermöglichen.

Operationseinsatz in Umarkot

Von der Mega-City Karatschi begeben wir uns auf die Reise nach Umarkot. Für uns ein unglaubliches Kontrastprogramm. Umarkot ist eine Kleinstadt im Osten Pakistans, nahe der indischen Grenze. Prof. Ganatra führt hier regelmäßig Operationseinsätze durch. Begleitet von einem großen Team. Alles ist perfekt organisiert. Jeder hat hier seine Aufgabe: von der Patientenkommunikation, über die Fotodokumentation bis hin zur umfänglichen medizinischen Betreuung der Patienten – das Team ist eingespielt, die Abläufe sind erprobt. Das ist wichtig, denn ein Operationseinsatz außerhalb eines festen Standorts erfordert eine besonders sorgfältige Organisation.

Unser Einsatzort ist das Late Syed Ali Mardan Shah Hospital. Das Krankenhaus wurde bei der letzten großen Überschwemmung im Sommer 2022 völlig zerstört und befindet sich aktuell im Wiederaufbau. Wir dürfen den Operationssaal nutzen, müssen aber das benötigte Equipment selbst mitbringen. Unterstüzt werden wir von der lokalen Hilfsorganisation OBA (Old Boys Welfare Association) aus Dhoronaro und erleben dabei eine unglaubliche Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft.

Große Not – großer Bedarf an Hilfe

Viele Familien haben weite Wege zurückgelegt, um ihre Kinder von unserem Team operieren zu lassen. Es gibt in der Region keine Anlaufstellen für Patienten mit Spaltfehlbildung. Die Kinder werden von ihren Eltern, Großeltern oder anderen Familienmitgliedern begleitet. Die Frauen sind scheu, verstecken sich hinter ihren Tüchern. Die Armut ist offensichtlich. Auffallend viele Babys sind unterernährt. Die Verzweiflung und Sorge der Mütter sind spürbar. Operieren heißt hier Leben retten. Nach der Operation wacht die gesamte Familie am Bett des Kindes, kümmert sich rührend, den Anweisungen der Krankenpfleger folgend. Die Erleichterung ist spürbar.

Insgesamt 40 Kinder können während der beiden Tagen in Umarkot erfolgreich operiert werden. Ein nächster Einsatz ist bereits in Planung.