„Gute Nachricht“ aus Afghanistan

Seit 2010 ist Deutsche Cleft Kinderhilfe e.V. in Afghanistan aktiv. Seither hat das Land viele Ereignisse durchstehen müssen, die auch an unserer Hilfe für Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten nicht spurlos vorübergegangen sind. Insbesondere seit der Übernahme durch die Taliban vor drei Jahren: Zwei der einst vier Chirurginnen und Chirurgen, die mit uns zusammengearbeitet und Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Operationen angeboten haben, haben mittlerweile der Taliban-Herrschaft den Rücken gekehrt – darunter auch unsere einzige Chirurgin.

Dennoch besteht weiterhin ein Funken Hoffnung für die afghanischen Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten: Derzeit steigen die Operationszahlen unserer im Land verbliebenen Chirurgen wieder. Umso mehr freuen wir uns über jedes Kind, dem wir in Afghanistan zu einer für die Lebenschancen so wichtigen Spaltoperation verhelfen können.

Die kleine Nawida ist eine von ihnen: Sie wird im Sommer 2014 im Norden Afghanistans geboren. Das Mädchen hat sowohl eine Lippen- als auch eine Gaumenspalte. Ihre Mutter entwickelt wegen der Reaktion des Umfelds der Familie auf das Kind so schwere psychische Probleme, dass sie sich nicht mehr um Nawida kümmern kann. Die Großmutter spingt ein. Sie gibt dem Mädchen den Namen Nawida („Gute Nachricht“).

Die Großmutter lebt von der Ziegenzucht und überwindet viele Schwierigkeiten. Da Nawida nicht gestillt werden kann, ist sie unterernährt und anämisch. Als die Familie am 12. Juli 2015 das erste Mal mit ihr zu unserem LKG-Projekt kommt. Aufgrund ihres Zustands erlaubt der Kinderarzt die Operation nicht; auch der Anästhesist hält eine Operation für zu gefährlich für das kleine Mädchen.

Unser Projektteam berät die Familie und hilft mit Nahrungsergänzungsmitteln. In drei Monaten soll die Familie wieder kommen. Doch die Familie kommt nicht. Die Handynummer, die sie hinterlassen hatten, antwortet nicht. Eine belastende Situation für unser Team, das weiß, dass Nawida dringend Behandlung braucht, um sich gut entwickeln zu können.

Gegen alle Widerstände: Ein Happy End für Nawida

Ein halbes Jahr später dann eine freudige Überraschung: An einem regnerischen Tag am 23. März 2016 wird Nawida endlich von ihrem Vater zur Klinik gebracht. Er erzählt vom Krieg und von Krankheit und einer Verletzung von Nawidas Großmutter. Unser Chirurg freut sich für Nawida: Ihr geht es jetzt viel besser als vor einem Jahr, sie darf operiert werden. Und alles verläuft erfolgreich. Der erste Schritt ist getan.

Sechs Monate nach der Lippenoperation steht die Operation zum Verschluss der Gaumenspalte an. Aber wieder kommt Nawida nicht zum vereinbarten Termin. Unser Projektleiter versucht es wieder telefonisch. Aber es ist dasselbe wie beim ersten Mal: Das Handy funktioniert nicht.

Und es vergehen sieben Jahre. Jahre, in denen sich viel verändert in Afghanistan. Schließlich, unverhofft, eine freudige Überraschung: Nawida kommt am 27. Oktober 2023, sieben Jahre nach ihrer Lippenoperation, mit ihrem Vater in die Klinik. Der Vater berichtet vom Tod der Großmutter, und dass die Familie aufgrund des Krieges in ein weit entferntes Dorf fliehen musste. Das Handy funktioniere nur in einem höher gelegenen Teil des Dorfes, sonst könne niemand die Familie erreichen.

Bei der Untersuchung wird festgestellt, dass Nawida Zahninfektionen und einen Zahnabszess hat. Vor der Operation der Gaumenspalte, müssen der Zahnabszess drainiert und ihre kariösen Zähne entfernt werden. Zwei Wochen später soll der Vater seine Tochter zur Gaumenspaltenkorrektur bringen, aber es ist wieder dasselbe: der Termin verstreicht und sie kommen nicht.

Schließlich nimmt alles ein gutes Ende für Nawida: Neun Monate später, im Juni 2024, kommt sie wieder in die Klinik. Dieses Mal fragt der Arzt gar nicht erst nicht nach dem Grund für die Verspätung, Hauptsache sie ist endlich da. Zum Glück ist Nawidas Gesundheitszustand jetzt gut, und die Gaumenoperation verläuft erfolgreich. Ein paar Tage später wird sie aus dem Krankenhaus entlassen – in eine bessere Zukunft.