Die Organisation Jiwaqui unter der Leitung von Dr. Adolfo Mamani ist unsere größte Partnerorganisation in der Behandlung von Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten in Bolivien. Unser bewährtes Modell der Zusammenarbeit mit einheimischen Teams garantiert, dass alles organisatorische und medizinische Know-how für die Spaltbehandlung fest vor Ort verwurzelt ist. Von ihrem Projektbesuch berichtet Südamerika Projektmanagerin Stefanie Huter.
Hospital Jiwaqui, El Alto
Jiwaqui betreibt ein Krankenhaus in El Alto, einer bolivianischen Großstadt, die sich unmittelbar westlich an die in Deutschland bekanntere Großstadt La Paz anschließt. Das achtstöckige Gebäude besteht aus einem Empfangssaal, mehreren Warteräumen, Behandlungszimmern für die verschiedenen Fachdisziplinen Sprachtherapie, Psychotherapie, Zahnmedizin, einer Pflegestation, diversen Untersuchungszimmern sowie einem Besprechungszimmer, welches auch für Gruppentreffen mit den Familien verwendet wird, die sog. „Escuela de Padres“ (Elternschule). Zwei Operationssäle sind in Planung. Die Klinik soll zu einem nationalen Referenzzentrum werden, in dem Patienten aus dem ganzen Land eine interdisziplinäre, langfristige Behandlung auf hohem Niveau bekommen können – eine großartige Aufbauleistung unseres Partners Dr. Adolfo Mamani, ermöglicht durch unsere Spender!
Am Vormittag stellt sich das gesamte Team vor. In jedem Fachbereich bekommen wir eine kleine Präsentation über die Arbeitsweise und haben die Gelegenheit, viele Fragen zu stellen. Nach dem Mittagessen dürfen wir bei der Escuela de Padres dabei sein. Die Eltern haben einmal die Woche die Möglichkeit, an einem Workshop teilzunehmen, bei dem jedes Mal ein anderes Thema behandelt wird, und sich mit anderen Familien auszutauschen – emotional, aber auch ganz praktisch eine wichtige Hilfe.
Zwischen den Präsentationen zum Thema Anästhesie, Psychologie und Sprachtherapie werden immer wieder kleine Auflockerungsübungen gemacht, bei denen wir im Kreis mit den Kindern und Eltern singen und tanzen. Zum Abschluss des Tages gibt es eine Überraschung für uns: Eine Liveband spielt für uns bolivianische Folklore und wir werden von unseren Partnern zum Tanz aufgefordert. Beim Springen und Tanzen geht uns recht schnell die Luft aus und wir merken dann doch die Höhe – immerhin sind wir auf 4.200 Metern in der höchstgelegenen Großstadt der Welt und hatten gerade einmal 24 Stunden Zeit, uns zu akklimatisieren.
Hilfseinsatz nach Caranavi
Am nächsten Morgen kommt unser kolumbianischer Chirurg Dr. Jorge Navarro an, der uns beim Hilfseinsatz nach Caranavi begleiten wird. Wir möchten damit den Erfahrungsaustausch zwischen unseren Partnern auch über Ländergrenzen hinweg fördern. Um 9 Uhr machen wir uns zu elft in einem Mini-Van auf den Weg in das 150 Kilometer entfernt gelegene Caranavi. Über kurvige Straßen geht es von 4.200 Metern Höhe runter auf 600 Meter. Die letzten 100 Kilometer der Strecke legen wir auf einer staubigen Schotterpiste zurück. Karge Berglandschaft verwandelt sich Stück für Stück in üppige grüne Nebelwälder.
Nach fünf Stunden kommen wir in Caranavi an. Als wir aus dem Bus steigen, schlägt uns eine Hitzewand mit extremer Luftfeuchtigkeit entgegen. Eigentlich wollen wir duschen, bevor es weiter in die Klinik geht, aber daraus wird nichts: mit Glück gibt es einmal am Tag gegen 6:30 Uhr Wasser im Hotel und das nur begrenzt. Die Bewohner warten auf Regen, der nicht kommen will. Die Kleidung am Körper klebend geht es zum Mittagessen und von dort ins Rathaus zu einem offiziellen Empfang, gefolgt von einer Präsentation von Dr. Mamani und vielen Danksagungen. Danach treffen wir die schon auf uns wartenden Familien im Krankenhaus. Dr. Mamani und Dr. Navarro untersuchen die Patienten und planen die Operationen für den nächsten Tag.
Die ersehnte Operation für viele Kinder
Am Tag darauf verbringt das OP-Team den ganzen Tag im OP-Saal. Dr. Mamani und Dr. Navarro haben die Chance sich auszutauschen und von den Erfahrungen des anderen zu lernen. Parallel werden die Patienten, die noch nicht dran sind, von unserem interdisziplinären Team betreut. Mit vor Ort sind die Sprachtherapeutin Claudia, Funktionstherapeutin Magaly Cordero, die Psychologin Violeta und die Zahnärztin Virginia Flores.
Eine unserer kleine Patientinnen ist Quetsalli. Quetsallis Gesicht ist durch eine große Spalte entstellt. Sie ist bereits drei Jahre alt und konnte bisher nicht operiert werden. Ihr Vater hat sie zum Einsatz gebracht. Mehr als 15 Stunden waren sie unterwegs. Quetsalli hat vier weitere Geschwister und lebt mit ihren Eltern in einer kleinen Hütte. Die Eltern sind einfache Bauern und die Familie muss von 150 Euro im Monat leben. Uns beeindruckt die Gelassenheit des kleinen Mädchens, sie weint nicht einmal, als es in den Operationssaal geht. Auch als sie nach erfolgreicher Operation aus der Narkose aufwacht und ihren Papa wieder in die Arme schließen darf ist, wirkt sie ganz entspannt.
Nach 12 Stunden im OP-Saal ist das Team erschöpft, aber dennoch guter Dinge. Sie haben heute vielen Kindern die Möglichkeit gegeben, endlich ein „normales“ Leben ohne Spalte zu leben.
Am Morgen unseres letzten Tages in Caranavi entlässt Dr. Mamani die Patienten. Wir verabschieden uns und es gibt viele Dankesworte und innige Umarmungen.
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